Polen vor temporärem Ausstieg aus EU-Asylsystem – Brüssel fordert Erklärung von Tusk
Am Dienstag soll das Kabinett von Premierminister Donald Tusk in Warschau einen temporären Ausstieg aus dem Asylsystem der EU beschließen. Nach den Niederlanden und Ungarn wäre Polen der dritte Mitgliedstaat mit solchen Ambitionen. Vertraglich vorgesehen ist ein solcher Schritt nicht.
Premierminister Tusk erklärte am Samstag auf dem Parteitag der regierenden Bürgerkoalition, dass Polen seine Grenzen und die der EU schützen müsse. Auf der Kurznachrichtenplattform X schrieb Tusk: „Es ist unser Recht und unsere Pflicht, die polnischen und europäischen Grenzen zu schützen. Über ihre Sicherheit werden wir nicht verhandeln. Mit niemandem. Es ist eine Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Und meine Regierung wird die Arbeit erledigen.“
Brüssel fordert Erklärung
Die EU-Kommission hat bereits Kontakt mit der polnischen Regierung aufgenommen und fordert eine Erklärung. Aus Brüssel kam der Hinweis, dass die EU-Regeln jeden Mitgliedstaat verpflichten, Schutzsuchenden Zugang zu einem Asylverfahren zu ermöglichen. Polen wäre der dritte EU-Mitgliedstaat, der von diesem Prinzip abweichen möchte.
In Deutschland kündigte die Union an, im Fall einer Regierungsübernahme im kommenden Jahr Asylsuchende, die aus anderen EU-Staaten einreisen wollen, schon an der Grenze zurückzuweisen. Bereits im September hatte die Regierung der Niederlande angekündigt, einen „nationalen Notstand“ auszurufen und darauf gestützt die Asylregeln der EU auszusetzen.
Polens Begründung
Polen begründet seinen Schritt damit, dass der Kreml und dessen verbündete Regierung in Belarus gezielt Flüchtlinge ins Land holen und an die polnische Grenze bringen sollen, um die EU zu destabilisieren. Tatsächlich lag der Höchststand an Asylanträgen in Polen im Juni 2024 bei 1.790. Bis August war er auf 1.325 zurückgegangen. Die meisten Schutzsuchenden in Polen sind Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
GEAS muss erst noch ratifiziert werden
Erst im Dezember des Vorjahres hatte die EU das „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ (GEAS) beschlossen. Diese sehen eine Vielzahl an Verschärfungen vor – und sollen hauptsächlich Erstankunftsländer wie Italien, Griechenland oder Spanien entlasten. Unter anderem sieht das GEAS vor, Asylverfahren an den Außengrenzen durchzuführen. Dies soll vor allem Flüchtlinge aus Ländern mit einer Anerkennungsquote unter 20 Prozent betreffen.
Interne Kritik in Polen
In Polen stößt die Ankündigung von Tusk auf Kritik im Umfeld seiner eigenen Mitte-Links-Koalition. Janina Ochojska, frühere Politikerin der Bürgerplattform und Leiterin der „Polnischen Humanitären Organisation“, äußerte auf X: „Hallo, Herr Premierminister, ich bin's, Ihr Wähler. Sie haben mir ein völlig anderes Land versprochen, ein offenes, gesetzestreues Polen, das seine Politik auf Werte gründet und allen die Chance gibt, sich zu entwickeln und denen zu helfen, die es brauchen.“
Auch der Sejmmarschall und frühere Präsidentschaftskandidat Szymon Hołownia vom „Dritter Weg“ übt Kritik. Zwar liege es auf der Hand, dass „die polnischen Grenzen vor hybriden Angriffen geschützt werden müssen, die von Putin und Lukaschenko organisiert werden“. Die Aussetzung des Rechts auf Asyl sei jedoch „eine extreme Maßnahme, die nur unter den Bedingungen des Ausnahmezustands und in einer Notsituation“ wie einem Grenzdurchbruch eingeführt werden sollte.
Die Entscheidung der polnischen Regierung zeigt einmal mehr, wie tief gespalten Europa in der Frage der Asylpolitik ist. Während einige Länder auf nationale Lösungen setzen, fordert Brüssel weiterhin eine gemeinsame europäische Antwort. Ob Polen tatsächlich aus dem Asylsystem der EU aussteigen wird, bleibt abzuwarten.
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