Europas Cloud-Anbieter vor dem Aus? Broadcoms Lizenzpolitik sorgt für Aufruhr

Die europäische Cloud-Industrie steht möglicherweise vor einer ernsthaften Zerreißprobe. Der Cloud-Betreiberverband CISPE (Cloud Infrastructure Services Providers in Europe) hat in einer jüngsten Stellungnahme Alarm geschlagen. Die Rede ist von "brutalen Vertragskündigungen" und "aufgezwungenen neuen Lizenzbedingungen", die von Broadcom nach der Übernahme des Virtualisierungsspezialisten VMware eingeführt wurden. Die Maßnahmen könnten, so die Befürchtung, die europäische Cloud-Infrastruktur erheblich schwächen.

Broadcoms Strategiewechsel: Lizenzpakete und Produktabkündigungen

Nach der Übernahme von VMware hat Broadcom das Vertriebsmodell radikal geändert. Kunden müssen nun Lizenzabonnements erwerben, statt wie bisher einzelne Produkte kaufen zu können. Zusätzlich wurden mehrere VMware-Angebote gestrichen, die nicht in den neuen Paketen enthalten sein werden. Diese Entscheidungen wurden den Kunden nur verzögert mitgeteilt, was zu Verunsicherung und der Befürchtung erheblich steigender Kosten führte. Obwohl Broadcom behauptet, die Abonnementpreise gesenkt zu haben, sind viele Kunden von den Paketen nicht überzeugt, da sie nicht alle enthaltenen Produkte benötigen, aber dennoch dafür zahlen müssen.

Existenzbedrohung für Cloud-Provider

Der CISPE warnt, dass die neuen Lizenzbedingungen für einige Mitglieder, die stark auf VMware-Technik angewiesen sind, existenzbedrohend sein könnten. Einige Provider generieren bis zu 75 Prozent ihres Umsatzes mit diesen Virtualisierungsprodukten, und ein Ende des bisherigen Lizenzmodells könnte für sie den Bankrott bedeuten. Dies würde nicht nur Großunternehmen treffen, sondern auch KMUs und Start-ups. Vor diesem Hintergrund fordert der CISPE die Europäische Union auf, die Geschäftspraktiken von Broadcom umgehend zu überprüfen und den Konzern möglicherweise als Gatekeeper im Sinne des Digital Markets Acts (DMA) einzustufen.

Cloud-Provider in der Zwickmühle

Francisco Mingorance, Generalsekretär des CISPE, kritisiert, dass Broadcom die Dominanz von VMware im Virtualisierungssektor ausnutze, um europäischen Cloud-Kunden unfaire Lizenzbedingungen aufzuzwingen. Während die Cloud-Provider die Vorschriften des Data Acts umsetzen und für Datenportabilität sorgen, sieht er den Sektor durch Broadcom in Geiselhaft genommen. Derweil zeigt sich Broadcoms CEO Hock Tan zufrieden mit den Entwicklungen nach der Übernahme und positioniert VMware als führenden IT-Infrastrukturanbieter.

Die Reaktion der EU steht aus

Die Forderung des CISPE nach einer Überprüfung durch die EU ist ein dringlicher Appell, der die Notwendigkeit unterstreicht, die Interessen europäischer Unternehmen und deren Kunden zu schützen. Der Vorstoß zeigt auf, dass im Kampf um faire Marktbedingungen und Wettbewerbsfähigkeit die Politik gefordert ist, regulierend einzugreifen. Es bleibt abzuwarten, wie die EU auf diese Herausforderung reagiert und ob Maßnahmen ergriffen werden, um die europäische Cloud-Industrie vor einem möglichen Kollaps zu bewahren.

Kontext und Ausblick

Die Situation um Broadcom und VMware ist ein Beispiel dafür, wie die Übernahmepraktiken internationaler Großkonzerne direkten Einfluss auf die Wirtschaftsstrukturen in Europa nehmen können. Es verdeutlicht die Notwendigkeit einer starken und souveränen europäischen Wirtschaftspolitik, die den Wettbewerb schützt und die Interessen der Bürger und Unternehmen in den Vordergrund stellt. In einer Zeit, in der die digitale Souveränität Europas immer wichtiger wird, ist dieser Konflikt ein Weckruf für Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit gleichermaßen.