Ursula von der Leyen setzt auf Rechtsnationalisten: Ein riskanter Schachzug?
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihr neues Team für die zweite Amtszeit vorgestellt und sorgt damit für Aufsehen. Besonders bemerkenswert: Sie bindet demonstrativ die Rechtsnationalisten ein. Das EU-Parlament muss dem Personaltableau noch zustimmen, doch bereits jetzt formiert sich Widerstand.
Ein Drama in Brüssel
Wochenlang hatte Brüssel auf diesen Moment gewartet. Am Dienstag trat schließlich Ursula von der Leyen vor die Öffentlichkeit und präsentierte die neue EU-Kommission, bestehend aus 26 Männern und Frauen. Diese sollen unter ihrer Führung in den kommenden fünf Jahren weitreichende Gesetze vorschlagen und das Leben von Millionen Bürgern beeinflussen.
Es war das vorläufige Ende eines Prozesses, der sich den ganzen Sommer lang hinzog. Erst am Montag, keine 24 Stunden vor von der Leyens Auftritt, tauschte Frankreich seinen Kandidaten aus: Der bisherige Kommissar Thierry Breton musste Stéphane Séjourné weichen. Gegen Roms Bewerber Raffaele Fitto gab es Widerstand im EU-Parlament, da er der rechten Partei Fratelli d‘Italia angehört.
Neue Machtverhältnisse in Brüssel
Séjourné und Fitto könnten nun zu den mächtigsten Männern im Brüsseler Berlaymont-Gebäude aufsteigen. Der Franzose soll ein Vizepräsident werden und die Themen Wohlstand und Industrie verantworten. Fitto, bisher Europaminister in der Regierung Giorgia Melonis, soll Kommissar für Kohäsion und Reformen werden. Damit erhielte er die Zuständigkeit für die Förderung armer Regionen in der EU – und die Macht über den größten Posten im EU-Haushalt.
Ein Zeichen der Versöhnung
Italiens Regierungschefin Meloni zeigte sich zufrieden – und das ist für die Präsidentin der Kommission wichtig. „Endlich ist Italien wieder ein Hauptdarsteller in Europa“, sagte Meloni kurz nach von der Leyens Auftritt. Zwischen Brüssel und Rom kriselte es zuletzt, und Meloni fühlte sich bei wichtigen politischen Entscheidungen übergangen. Ein bedeutendes Dossier für Fitto ist nun auch ein Zeichen der Versöhnung.
Neue Prioritäten in der zweiten Amtszeit
2019 konzentrierte sich von der Leyen auf den Kampf gegen den Klimawandel. Unter ihr brachte die Kommission Hunderte Umweltregeln auf den Weg, sorgte so auch für viel Bürokratie und erzürnte die Wirtschaft. In der zweiten Amtszeit soll das anders werden. Von der Leyen misst nun dem Thema Wettbewerbsfähigkeit mehr Bedeutung bei. „Die Zusammensetzung der Kommission“, sagte sie am Dienstag, „spiegelt die Zeit wider, in der wir leben.“
Wirtschaftsposten für verschuldete Länder
Bemerkenswert ist, dass mit Frankreich und Spanien zwei der am höchsten verschuldeten europäischen Staaten zentrale Wirtschaftsposten ergattern. Sie alle fordern gemeinsame europäische Schulden – ein Tabu für Deutschland. Polen, der größte Nettoempfänger in der EU, stellt mit dem bisherigen Diplomaten Piotr Serafin künftig den Haushaltskommissar. Auch das könnte in Berlin für Unmut sorgen.
Das EU-Parlament befindet sich jetzt auf dem Höhepunkt seiner Macht über die Kommission. Welche Kandidaten wird es verhindern? Einer könnte Fitto sein, ein anderer Olivér Várhelyi aus Ungarn, der sich in den vergangenen fünf Jahren als Kommissar für Erweiterung viele Feinde gemacht hat.
Von der Leyen setzt auf eine riskante Strategie, die sich jedoch lohnen könnte. Ihre Abhängigkeit von den Grünen dürfte sich verringern, und sie könnte mehr Unterstützung im EU-Parlament für ihre Gesetzesvorschläge sichern. Es bleibt abzuwarten, wie das EU-Parlament auf diese neuen Machtverhältnisse reagieren wird.
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