Politisches Patt in Thüringen: Landtagswahlen führen zu ungewisser Regierungsbildung
Die jüngsten Landtagswahlen in Thüringen haben das politische Klima im Bundesland erneut aufgeheizt. Während die Sitzverteilung im Landtag feststeht, bleibt die Frage nach der zukünftigen Regierung unbeantwortet. Der Weg zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten und zur Bildung einer stabilen Regierung könnte sich als langwierig und kompliziert erweisen.
Verzögerte Regierungsbildung
Gemäß der Thüringer Verfassung muss der neu gewählte Landtag spätestens 30 Tage nach der Wahl, also bis zum 1. Oktober, zu seiner ersten Sitzung zusammentreten. In dieser Sitzung wird traditionell der Landtagspräsident gewählt. Die AfD, als stärkste Fraktion, hat das Recht, als erste einen Kandidaten für dieses Amt vorzuschlagen. Doch ob dieser Vorschlag die Mehrheit findet, bleibt fraglich. Die anderen Parteien, darunter CDU, Linke, SPD und BSW, haben bereits angekündigt, einen AfD-Kandidaten abzulehnen.
Erste Bewährungsprobe für die Demokratie
Der amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht in der Wahl des Landtagspräsidenten eine erste Bewährungsprobe für die demokratischen Kräfte im Parlament. Sollte der AfD-Kandidat abgelehnt werden, könnten die anderen Fraktionen eigene Bewerber ins Rennen schicken. Dies könnte ein erster Schritt in Richtung einer Einigung auf einen neuen Ministerpräsidenten sein.
Herausforderungen und politische Tücken
Die AfD könnte versuchen, durch ihre Position im Landtag Druck auszuüben und eine schnelle Abstimmung über das Amt des Ministerpräsidenten zu erzwingen. Die Geschäftsordnung des Landtages erlaubt es der Fraktion, einen Personalvorschlag einzubringen und eine Sitzung zur Abstimmung zu beantragen. Doch die Terminbestimmung für diese Sitzung liegt allein in den Händen des Landtagspräsidenten, was weitere Verzögerungen zur Folge haben könnte.
Keine Frist für die Regierungsbildung
Interessanterweise gibt es weder in der Thüringer Verfassung noch in der Geschäftsordnung des Landtages eine Frist für die Wahl des Ministerpräsidenten. Dies bedeutet, dass sich die Regierungsbildung theoretisch auf unbestimmte Zeit hinauszögern kann. Solange kein neuer Ministerpräsident gewählt ist, bleibt Bodo Ramelow als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt und führt die Regierung weiter.
Historische Parallelen und mögliche Szenarien
Die aktuelle Situation erinnert an die Landtagswahl 2019, bei der es zu einem politischen Debakel kam. Nach zwei erfolglosen Wahlgängen wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich im dritten Anlauf zum Ministerpräsidenten gewählt – mit Stimmen der AfD. Der öffentliche Aufschrei war groß, und Kemmerich trat nach nur vier Tagen zurück. Erst nach weiteren Wahlgängen konnte Ramelow die Mehrheit auf sich vereinen und das Amt übernehmen.
Politikwissenschaftler: AfD-Kandidat unwahrscheinlich
Der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke von der Ruhr-Universität Bochum hält es für unwahrscheinlich, dass sich ein ähnliches Szenario wiederholt. Auch an einen Sieg des AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke im dritten Wahlgang glaubt er nicht. Lembcke betont, dass es das erklärte Ziel der anderen Parteien sei, einen AfD-Kandidaten zu verhindern. Eine Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten aus den Reihen der CDU, BSW und Linkspartei sei zwar schmerzhaft und langwierig, aber wahrscheinlich.
Die politische Landschaft in Thüringen bleibt also weiterhin unruhig. Ob und wann eine stabile Regierung gebildet wird, steht in den Sternen. Klar ist jedoch, dass die demokratischen Kräfte im Landtag vor großen Herausforderungen stehen.