NATO in der Ukraine: Was bekannt ist und was ansteht
Die geopolitische Lage in der Ukraine spitzt sich weiter zu, während die NATO ihre Präsenz in der Region verstärkt. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán forderte bei seinem Besuch in Kiew die Ukraine zu einem Waffenstillstand auf. Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó beklagte, dass die NATO eine Mission in Bezug auf die Ukraine vorbereite, die Ungarn für „gefährlich und unnötig“ halte. Der US-Generalstabschef hingegen stellte vor dem NATO-Gipfel in Washington die Entsendung von NATO-Truppen in die Ukraine in Aussicht. Deutschland schweigt erneut.
Orbáns Forderung nach Waffenstillstand
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat bei seinem gestrigen Staatsbesuch in Kiew dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unmissverständlich erklärt: „Ein Waffenstillstand, geknüpft an eine Frist, würde eine Chance eröffnen, Friedensgespräche zu beschleunigen. Ich habe diese Möglichkeit mit dem Präsidenten erörtert“, sagte Orbán vor der Presse. Er gab aber auch zu verstehen, dass sich Selenskyj auf diesen Vorschlag nicht eingelassen habe.
Seit drei Wochen geht die ungarische Regierung mit ihrer Besorgnis aktiv in die Öffentlichkeit. Mitte Juni warnte Außenminister Szijjártó in der Sendung Vasárnapi újság von Radio Kossuth: „In Europa und im Nordatlantischen Bündnis wird eine Art Weltkrieg vorbereitet.“ Viele europäische Entscheidungsträger der NATO würden „an einer Kriegspsychose leiden und das Gefühl haben, dass sie sich im Krieg mit Russland befinden“, kritisierte Szijjártó.
Pläne seit Mai bekannt
Bereits im Mai berichtete die „New York Times“, dass die NATO die Entsendung von Ausbildern in die Ukraine erwägt. Diese „Ausbilder“ könnten jedoch auch Kampftruppen umfassen. Der Schritt könnte die Vereinigten Staaten und Europa direkter in den Krieg hineinziehen. Der Mangel an ukrainischen Soldaten habe „einen kritischen Punkt erreicht“. Die Lage der Ukrainer auf dem Schlachtfeld habe sich „in den letzten Wochen erheblich verschlechtert“, zitiert die NYT den US-Generalstabschef General Charles Q. Brown. Ein NATO-Einsatz von „Ausbildern“ in der Ukraine sei deshalb „unvermeidlich“. „Mit der Zeit werden wir dort ankommen“, so General Brown.
Deutschland und die NATO-Präsenz
Bundeskanzler Olaf Scholz war der erste NATO-Staatsmann, der Anfang März zugab, dass bereits seit längerem Soldaten von NATO-Staaten – namentlich Großbritannien und Frankreich – in der Ukraine an Operationen beteiligt seien. Sicherheitsexperten im Londoner Parlament ärgerten sich über diese deutsche Information und warfen dem deutschen Kanzler „Geheimnisverrat“ vor. „Damit hat Scholz ungewollt dazu beigetragen, das Tabu der Präsenz von NATO-Kräften in der Ukraine zu brechen“, stellte Francois Heisbourg vom Londoner Institut für Strategische Studien (IISS) fest.
NATO-Stützpunkt in Kiew
Die NATO wird demnächst ganz offiziell einen „Stützpunkt“ in Kiew einrichten. Dies berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf amerikanische Regierungsbeamte. Zunächst werde ein „hochrangiger ziviler Beamter in Kiew stationiert“. Dieser Schritt soll Teil „einer Reihe neuer Maßnahmen zur Stärkung der langfristigen Unterstützung für die Ukraine“ sein und werde nächste Woche auf dem NATO-Gipfel offiziell mitgeteilt.
Die NATO hat zudem bekanntgegeben, dass sie ein neues Kommando in Wiesbaden einrichten werde, um von dort aus die Lieferung von Waffen und Ausrüstung für die Ukraine sowie die Ausbildung von ukrainischen Soldaten zu koordinieren. Die Aufgabe des NATO-Beamten in Kiew würde darin bestehen, als „Bindeglied zwischen dem Stützpunkt in Wiesbaden und der Ukraine“ zu fungieren. Außerdem soll er dazu beitragen, das ukrainische Militär an NATO-Standards heranzuführen.
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