Abschiebung statt Duldung? Erneute politische Diskussion in Baden-Württemberg
In Stuttgart leben laut Innenministerium mehr als 2.000 Menschen aus anderen Ländern, die nur geduldet sind. Die FDP im Landtag findet diese Zahl zu hoch und fordert konsequentere Abschiebungen. Allein in Stuttgart sind nach Informationen des baden-württembergischen Innenministeriums 2.232 geduldete Menschen erfasst, die eigentlich abgeschoben werden könnten (Stand 31.7.). Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Landtagsanfrage der FDP-Fraktion hervor.
Forderungen der FDP
Für den FDP-Abgeordneten Friedrich Haag ist die Zahl der Ausreisepflichtigen, die im Status der Duldung verharren, auch in Stuttgart viel zu hoch. Er fordert: "Die Abschiebung muss schneller gehen. Die Landesregierung muss bei der angekündigten Beschleunigung der Abschiebungen von Ausreisepflichtigen, der Ausweitung der Straftatbestände, die zu Abschiebungen führen, und der Aufstockung des Personals bei Staatsanwaltschaften und Asylkammern jetzt schnell in die Umsetzung kommen."
In Baden-Württemberg hätten im vergangenen Jahr 5.700 Menschen abgeschoben werden sollen. In 2.100 Fällen ist das gelungen. Darunter waren auch 818 schwere Straftäter.
Maßnahmen der Landesregierung
Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen und der tödlichen Messerattacke von Mannheim geht die grün-schwarze Landesregierung weiter gegen islamistischen Terror und gegen irreguläre Migration vor. Mehr als 30 Punkte stehen in einem Papier, das in die Bereiche Sicherheit, irreguläre Migration und Prävention aufgeteilt ist. In Baden-Württemberg soll etwa ein neues Staatsschutz- und Anti-Terrorismuszentrum unter dem Dach des Landeskriminalamts entstehen. Der Sonderstab "Gefährliche Ausländer" soll gestärkt werden, um kriminelle Ausländer schneller abschieben zu können. Eine weitere Asylkammer soll entstehen, um Verfahren zu beschleunigen. Landesweit sind zum Juli 2024 bereits sechs Asylkammern mit 18 zusätzlichen Richterstellen eingerichtet worden. Für die innere Sicherheit hat Grün-Schwarz im Doppelhaushalt für 2025 und 2026 bereits 400 Millionen Euro verplant. Mit den neuen Maßnahmen kommen rund 18 Millionen Euro jährlich hinzu.
Gefährder in Stuttgart
Im Bund umfassen die von SPD, Grünen und FDP vorgelegten Gesetzentwürfe unter anderem eine Verschärfung des Waffenrechts beim Mitführen von Messern, die Streichung von Leistungen für Menschen, für deren Asylverfahren ein anderer Staat zuständig ist, sowie die Befugnis zum biometrischen Abgleich von öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet. Zwischen 2020 und dem 1. Juni 2024 wurden in Stuttgart jeweils eine niedrige bis mittlere einstellige Anzahl an Personen als Gefährder beziehungsweise "relevante Person" im Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität (genauer: "religiöse Ideologie") eingestuft. Diese Personen werden allesamt der salafistischen Ideologie - einschließlich des dschihadistischen Salafismus - zugeordnet.
Steigende Kriminalität und Messergewalt
Zuletzt gab es eine breite Diskussion in Stuttgart über kriminelle Täter aus Syrien, die auch über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen sorgte. Nach mehreren Messerattacken in der Landeshauptstadt und vor allem einem Messerangriff auf der Königstraße, bei dem der Haupttäter ein 17 Jahre alter Syrer aus einer polizeibekannten kriminellen Großfamilie gewesen sein soll, wurde der Ruf nach mehr Befugnissen für Polizei und Behörden besonders laut. Der 17-Jährige aus der syrischen Großfamilie in Stuttgart wurde vergangene Woche für einen anderen Messerangriff auf andere Jugendliche im November 2023 am Mailänder Platz vor der Stadtbibliothek zu einer Haftstrafe verurteilt.
Radikalisierung im Internet
BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) warnt davor, dass Rechtsextremisten über Online-Spiele Kontakt zu Jugendlichen suchen. Sehr schnell könnten die Kinder so radikalisiert werden. Obwohl es derzeit keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne gebe, sei die Gefahr durch islamistischen Terrorismus, etwa wegen der aktuellen Entwicklungen in Nahost, nach wie vor akut. "Die Bedrohung hat sich diversifiziert. Mit Terrorzellen, autonom agierenden Kleinstgruppen und Einzeltätern, die sich in den sozialen Medien radikalisieren, lässt sich dieser Täterkreis immer schwerer bestimmten Örtlichkeiten zuschreiben", heißt es in der Landtagsanfrage.
Abschiebung und Duldung
Eine Person aus dem Ausland wird ausgewiesen, wenn ihr Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Nicht jede oder jeder Ausgewiesene wird gleich abgeschoben. Menschen, die aus praktischen oder rechtlichen Gründen vorerst nicht abgeschoben werden können, erhalten eine Duldung. Deutlich größer ist die Zahl der sogenannten Ausreisepflichtigen - sie umfasst auch Menschen, die keinen Aufenthaltstitel erhalten haben, zum Beispiel abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber. Es handle sich hier um hochmobile, transnational agierende Personen, die von der Idee eines globalen Dschihad angetrieben werden. Dies zeigten die Attentate etwa in Mannheim und Solingen. Seit 2011 seien etwa 1.150 deutsche Islamisten aus Deutschland nach Syrien oder den Irak ausgereist.
Ausweisungen in Deutschland
In Deutschland wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres gegen 4.321 Menschen Ausweisungen ausgesprochen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Gruppe Die Linke hervor. Die meisten von ihnen stammten aus Albanien, Georgien, der Türkei, Moldau und Algerien. Im Gesamtjahr 2023 waren es den Angaben zufolge 8.019 Ausweisungen. Zwischen 2020 und 2022 schwankte die Zahl zwischen 7.081 und 8.257 Ausweisungen pro Jahr.