Urteil des Verfassungsgerichts: Wahlrechtsreform sorgt für Unsicherheit
Die Folgen des Wahlrechts-Urteils: Sieger können plötzlich Verlierer sein
Am Dienstag verkündete das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zur Wahlrechtsreform der Ampelkoalition. Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die politische Landschaft Deutschlands und wirft zahlreiche Fragen auf. BILD klärt die wichtigsten Aspekte des Urteils.
Ende des „Bläh-Bundestags“?
Ja. Die ständige Vergrößerung des Bundestags durch sogenannte Überhang- und Ausgleichsmandate wird effektiv gestoppt. Vorgesehen sind künftig 630 Abgeordnete, was eine Reduktion gegenüber den derzeit 734 Abgeordneten bedeutet. Dies spart erhebliche Kosten, da keine zusätzlichen Sitze mehr eingebaut, neue Bürogebäude geplant oder mehr Mitarbeiter für die Abgeordneten eingestellt werden müssen. Allein die Personalausgaben des Bundestags lagen im Haushaltsjahr 2024 bei gigantischen 788 Millionen Euro. Experten befürchteten bereits einen Anstieg auf eine Milliarde Euro.
Was hat das Gericht beschlossen?
Die Richter haben die Wahlrechtsreform der Ampel als „teilweise verfassungswidrig“ verworfen. Besonders die Abschaffung der „Grundmandatsklausel“ widerspricht dem Grundgesetz. Diese Klausel ermöglicht es Parteien, die unter 5 Prozent der Stimmen erhalten, dennoch in den Bundestag einzuziehen, sofern sie mindestens drei Wahlkreise direkt gewinnen. Diese Regelung bleibt bestehen, solange sie nicht sauberer geregelt wird.
Das Gericht erklärte jedoch für legal, dass künftig Wahlkreissieger nur dann in den Bundestag einziehen, wenn das Wahlergebnis der Zweitstimmen für ihre Partei ausreicht. Dies bedeutet, dass die Zweitstimme entscheidend für die Sitzverteilung im Bundestag ist.
Was bedeutet das für die Wähler?
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Zweitstimme. Sie bestimmt, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag einnehmen kann. Bisher wurden die Sitze zur Hälfte an die Direktkandidaten und zur anderen Hälfte nach Landesliste der Parteien verteilt. Das neue Wahlrecht setzt die direkt gewählten Kandidaten nach der Wahl nur an die Spitze der Landeslisten, von wo sie gemäß Zweitstimmen-Ergebnis in den Bundestag einziehen. Für Kandidaten, deren Partei nicht genügend Zweitstimmen erhält, bleibt der Einzug ins Parlament verwehrt.
Können Wahlsieger plötzlich verlieren?
Es klingt absurd, aber es könnte passieren. Holt eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate, als ihr nach den Zweitstimmen zusteht, müssen erfolgreiche Wahlkreiskandidaten auf den Sitz im Parlament verzichten. Der Sieger eines Wahlkreises könnte somit draußen bleiben, während ein unterlegener Kandidat über die Liste seiner Partei in den Bundestag einzieht.
Welche Parteien profitieren?
Die CSU sieht sich selbst als Sieger, da die Gefahr, an der 5-Prozent-Hürde zu scheitern, gebannt ist. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder jubelte: „Das Bundesverfassungsgericht erkennt die Kraft und die Bedeutung Bayerns und der CSU an.“ Auch die Linke profitiert, da sie 2021 trotz weniger als 5 Prozent der Stimmen in den Bundestag einzog, weil sie drei Direktmandate errang. Die Freien Wähler hoffen nun ebenfalls auf diese Klausel, um 2025 in den Bundestag einzuziehen.
Welche Regionen sind betroffen?
Die größten Abweichungen zwischen der Zahl der Direktmandate und dem Zweitstimmen-Ergebnis gab es 2021 in Bayern und Baden-Württemberg. Die CSU errang in Bayern elf Sitze mehr, als ihrem Stimmenergebnis entsprach, und die CDU in Baden-Württemberg sogar zwölf solcher „Überhangmandate“. Diese könnten bei der Wahl 2025 gestrichen werden müssen.
Das Urteil des Verfassungsgerichts zeigt deutlich, wie komplex und umstritten die Wahlrechtsreform ist. Es bleibt abzuwarten, wie die politischen Parteien und die Wähler auf diese Veränderungen reagieren werden.
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