Ex-Cum-Ex-Chefermittlerin erhebt schwere Vorwürfe gegen Banken, Anwälte und Behörden
Anne Brorhilker, die ehemalige leitende Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Köln, erhebt schwere Vorwürfe gegen Banken, Anwälte und Behörden im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal. Brorhilker war ab 2013 als Ermittlerin in diesem Skandal tätig und leitete später eine Abteilung von über 30 Staatsanwälten. In einem Interview mit dem "Handelsblatt" schilderte sie die massiven Hindernisse, die ihre Ermittlungsarbeit behinderten.
Industrieller Charakter der Steuerhinterziehung
Anne Brorhilker betonte, dass die Steuerhinterziehung durch Cum-Ex-Geschäfte einen industriellen Charakter hatte. „Das waren eben nicht wenige schwarze Schafe“, so Brorhilker. Die Strafgerichte hätten dies ebenfalls festgestellt. Der geschätzte Schaden beläuft sich auf 10 bis 12 Milliarden Euro. Noch trickreicher seien die Cum-Cum-Geschäfte, bei denen der Schaden auf das Dreifache geschätzt wird.
Behinderung der Ermittlungsarbeit
Brorhilker wirft den Banken vor, alles getan zu haben, um die Ermittlungsarbeit zu erschweren. „Wir haben häufig erlebt, dass Dokumente ins Ausland geschafft wurden und angeblich nicht mehr nach Deutschland zurückgeholt werden konnten“, so Brorhilker. Auch Anwälte hätten durch unsachliches und überhebliches Verhalten die Ermittlungen behindert. „Es geht darum, Dinge künstlich zu verkomplizieren“, sagte sie.
Verfahren gegen Christian Olearius
Ein prominentes Beispiel für die Schwierigkeiten bei den Ermittlungen ist der Fall von Christian Olearius, dem ehemaligen Co-Chef der Hamburger Warburg-Bank. Der Prozess gegen Olearius wurde ohne Urteil beendet, da er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr folgen konnte. Allein bei ihm ging es um den Vorwurf der Steuerhinterziehung in Höhe von 280 Millionen Euro.
Verstrickung von Politik und Banken
Brorhilker kritisierte auch die enge Verstrickung von Politik und Banken, insbesondere in Hamburg. „Es hat mit einer zu großen Nähe zwischen Politik und Banken in Hamburg zu tun“, sagte sie. Die Staatsanwaltschaft Hamburg habe nie ermittelt, obwohl mehrere Fälle direkt vor ihrer Haustür spielten.
Wechsel zur NGO „Finanzwende“
Im April 2024 schied Brorhilker auf eigenen Wunsch aus ihrem Amt aus und wechselte zu der von dem ehemaligen „grünen“ Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick gegründeten NGO „Finanzwende“ als Geschäftsführerin. Dieser Schritt könnte als Zeichen dafür gewertet werden, dass sie sich in ihrem Amt nicht mehr ausreichend unterstützt fühlte.
Appell an die Legislative
Brorhilker appellierte an die Legislative, der Steuerhinterziehung mehr Gewicht zu verleihen und sie als Verbrechen einzustufen. „Es ist deshalb ungerecht, derart schwere Fälle – anders als beim Betrug – nicht als Verbrechen einzustufen“, sagte sie. Nur so könnten Einstellungen gegen Geldbuße bei schweren Fällen organisierter Steuerhinterziehung verhindert werden.
Alles in allem bleibt der Cum-Ex-Skandal ein Augiasstall, dessen Ausmistung wohl nie ganz erfolgen wird. Die Verstrickungen und Behinderungen, die Anne Brorhilker schildert, werfen ein düsteres Licht auf die deutsche Justiz und die Verbindungen zwischen Politik und Finanzwelt.
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