Europäische Union im Zwiespalt: Die umstrittene "Chatkontrolle" steht zur Abstimmung
Am Donnerstag könnte es soweit sein: Der Europäische Rat könnte die sogenannte "Chatkontrolle" auf den Weg bringen. Während Befürworter dies als entscheidenden Schritt im Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern sehen, warnen Kritiker vor massiver Überwachung und dem Ende verschlüsselter Kommunikation in der EU.
Was ist die "Chatkontrolle"?
Die "Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern" wird seit Jahren in Brüssel diskutiert. Zuletzt scheiterte ein Ablehnungsantrag von Grünen, FDP, Linken und Piraten im Januar. Der Antrag wurde mit den Stimmen von CDU, SPD und AfD abgewiesen.
Der aktuelle Entwurf sieht vor, dass Anbieter von Social-Media- und Messenger-Diensten gezwungen werden sollen, Bild- und Videoinhalte mittels KI-Tools automatisch mit einer Datenbank von bekanntem kinderpornographischem Material abzugleichen. Bei einem Treffer soll das Ergebnis an eine Behörde weitergeleitet werden. KI soll auch neues kinderpornographisches Material erkennen, wobei die Zuverlässigkeit dieser Technologie noch unklar ist.
Die belgische Ratspräsidentschaft plant, das Durchsuchen nach Missbrauchsmaterial für alle Nutzer verpflichtend zu machen. Zwar könnten Nutzer das Scannen ihrer Bilder ablehnen, dann könnten sie jedoch keine Bilder und Videos mehr versenden.
Kritiker fürchten Hintertüren und Überwachung
Kritiker bezeichnen das Vorhaben als "Chatkontrolle" und sehen darin ein Instrument der Massenüberwachung, das nicht mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vereinbar sei. In einem offenen Brief appellierten 36 Politiker, darunter deutsche Vertreter von Grünen und FDP, an die EU-Mitgliedsstaaten: "Als nationale und europäische Parlamentarier sind wir überzeugt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht mit den europäischen Grundrechten vereinbar sind."
Die Kritiker befürchten, dass die eingebauten Hintertüren auch notwendige vertrauliche Kommunikation – etwa von Ärzten, Anwälten und Journalisten – einschränken könnten. Digital übermittelte Geschäftsgeheimnisse würden gefährdet. Zudem könnten autoritäre Regierungen die Architektur der Chatkontrolle nutzen, um die Bevölkerung zu überwachen.
Wie geht es weiter?
Der Europäische Rat soll am Donnerstag über das Vorhaben beschließen. Sollte der Rat für die "Chatkontrolle" stimmen, wäre das Vorhaben jedoch noch nicht verabschiedet. Es wären weitere Verhandlungen zwischen Europäischer Kommission, Rat und Parlament notwendig. Der Ausgang der Abstimmung ist noch ungewiss.
Diese Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die Privatsphäre in der gesamten EU haben. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Mitgliedsstaaten positionieren und welche Veränderungen dies für die digitale Kommunikation in Europa mit sich bringen wird.