EU-Verhandlungen über umstrittene „Chatkontrolle“ vorerst gescheitert
Die Verhandlungen zwischen den EU-Staaten über die umstrittene „Chatkontrolle“ im Kampf gegen Kinderpornografie sind vorerst gescheitert. Unter anderem aufgrund deutscher Bedenken konnte keine ausreichende Mehrheit erreicht werden, wie die belgische Ratspräsidentschaft am Donnerstag mitteilte. Der Vorsitz beschloss daher, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen.
Grundlage und Bedenken
Die Pläne basieren auf einem Vorschlag der EU-Kommission, der vorsieht, dass Anbieter wie Google oder Facebook unter bestimmten Umständen verpflichtet werden können, ihre Dienste mithilfe von Software nach Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu durchsuchen. Trotz bereits eingebrachter Kompromissvorschläge stießen diese Pläne auf heftige Kritik. Gegner der „Chatkontrolle“ befürchten eine Massenüberwachung und den Verlust der Privatsphäre.
Ungarische Ratspräsidentschaft könnte neuen Anlauf starten
Es wird erwartet, dass Ungarn bei seiner bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft ab Juli einen neuen Versuch unternehmen könnte, eine Einigung zwischen den EU-Staaten zu erzielen. Der endgültige Gesetzestext müsste dann noch zwischen den Ländern, dem Parlament und der Kommission verhandelt werden, bevor die neuen Regeln in Kraft treten könnten.
Bundesregierung gegen „massenhaftes Scannen“
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wertete die Absetzung der Abstimmung als Erfolg der Bemühungen der Bundesregierung. Er erklärte: „Ich freue mich, dass meine rechtsstaatlichen Bedenken auf fruchtbaren Boden gefallen sind.“ Es sei gut, dass die Bundesregierung in dieser Frage mit einer Stimme spreche und sich gemeinsam gegen ein anlassloses und massenhaftes Scannen – selbst verschlüsselter – privater Kommunikation und von Daten in der Cloud positioniere.
Auch das Bundesinnenministerium teilte mit, dass die Abstimmung aufgrund des deutschen Widerstands abgesagt worden sei. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits am Mittwoch erklärt, Deutschland werde gegen den Vorschlag der Kommission in seiner jetzigen Form stimmen.
Europäische Politiker gegen die Pläne
36 Politikerinnen und Politiker aus Europa hatten Anfang der Woche in einem offenen Brief an die EU-Mitgliedstaaten appelliert, gegen die Pläne zu stimmen. Sie seien davon überzeugt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen mit den europäischen Grundrechten unvereinbar seien. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sowie Konstantin von Notz von den Grünen.
Fazit
Die gescheiterten Verhandlungen über die „Chatkontrolle“ verdeutlichen die tiefen Gräben innerhalb der EU-Staaten bei der Frage, wie der Kampf gegen Kinderpornografie geführt werden soll, ohne die Grundrechte der Bürger zu verletzen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die ungarische Ratspräsidentschaft diese komplexe und umstrittene Thematik erneut aufgreifen wird.
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