Deutsche Wirtschaft und Brexit: Wird eine Labour-Regierung die Beziehungen grundlegend ändern?
Nach dem zu erwartenden Sieg der Labour-Partei bei der Parlamentswahl in Großbritannien hofft die deutsch-britische Wirtschaft auf eine Annäherung und Erleichterungen im bilateralen Handel. Doch ob es zu einer Rückkehr des Vereinigten Königreichs in den EU-Binnenmarkt und die Zollunion kommen wird, bleibt fraglich. Experten gehen nicht davon aus.
Labour respektiert das Brexit-Referendum
York-Alexander von Massenbach von der Britischen Handelskammer in Deutschland betont, dass Labour-Chef Keir Starmer, der wahrscheinlich neue Premierminister, stets betont habe, das Brexit-Referendum zu respektieren und keinen Wiedereintritt in die EU anzustreben. „Stattdessen erscheint es wahrscheinlicher, dass eine Labour-Regierung darauf abzielt, die bestehenden Beziehungen zu verbessern und die wirtschaftlichen Verbindungen zu stärken, ohne die grundlegenden Entscheidungen des Brexits rückgängig zu machen“, sagte von Massenbach.
Kleine Schritte, kein großer Wurf
Ulrich Hoppe, Chef der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer in London, erwartet eine Einigung bei Regeln zum Handel mit phytosanitären Produkten, also Waren tierischen Ursprungs. „Das ist ein kleiner Schritt, der politisch wichtig ist“, sagte Hoppe der dpa. Auch bei chemischen Erzeugnissen könnte sich die neue Regulierung wieder am europäischen Regulierungsrahmen orientieren. „Aber den großen Wurf für eine richtig starke Annäherung sehe ich die nächsten Jahre nicht kommen.“
Die Vereinigung German Industry UK hofft auf weniger Bürokratie. „Der Abbau von Formularen beim Ex- und Import, bei der Einstellung von Mitarbeitern aus der EU und die Anerkennung von EU-Qualifikationen wären notwendige Maßnahmen im Rahmen einer engeren Kooperation mit der EU“, sagte ihr Vorsitzender Bernd Atenstaedt.
Labour ist zu zögerlich
Der Vorstand der Britischen Handelskammer in Deutschland, von Massenbach, hält kurzfristig eine verstärkte sicherheitspolitische Kooperation und Erleichterungen bei der Arbeitserlaubnis für junge Menschen am wahrscheinlichsten. Ein Ansatzpunkt sei die 2026 anstehende Überarbeitung des Freihandelsabkommens, das noch Lücken aufweise. „So fehlt es unverändert weitgehend an Regelungen für den gerade für Großbritannien so wichtigen Dienstleistungssektor“, sagte der Partner der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann. „Ein neuer gemeinsamer Handels- und Technologierat, ähnlich dem zwischen der EU und den USA sowie der EU und Indien, könnte die Umsetzung dieses Abkommens unterstützen.“
Ulrich Hoppe ist skeptischer. Eine britische Rückkehr ins Erasmus-Programm oder Visumserleichterungen seien zwar wünschenswert. Aber zum einen müsse sich die neue EU-Kommission noch finden. Zum anderen sei Labour zu ängstlich, umgehend große Änderungen durchzubringen, sagte Hoppe. „Die EU will ein Stück mehr Freizügigkeit haben. Das kann eine zukünftige Labour-Regierung nicht zusagen angesichts der hohen Einwanderungszahlen. Das ist politisch zu schwierig.“
Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Herausforderung. Die Hoffnung auf eine Verbesserung der Handelsbeziehungen mit Großbritannien ist groß, doch die politischen Realitäten könnten diesen Optimismus dämpfen. Es bleibt abzuwarten, ob Labour den Mut hat, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die wirtschaftlichen Verbindungen zu stärken und die Bürokratie zu reduzieren.
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