Marktirrationalität: Trumps Medienunternehmen trotzt wirtschaftlicher Logik
Die Börse ist ein Spiegel der Wirtschaft – doch manchmal scheint sie eher einem Zerrspiegel zu gleichen. Ein Paradebeispiel für diese Verzerrung bietet das Social-Media-Projekt "Truth Social" des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Obwohl die Firma hinter dem Netzwerk, Trump Media & Technology Group (TMTG), finanziell nicht auf festem Boden steht, erreicht sie an der Börse eine Bewertung, die selbst hartgesottene Kapitalmarktexperten perplex zurücklässt.
Bei der Einführung von Truth Social erlebte der Aktienkurs der Mantelfirma TMTG einen Höhenflug, der in krassem Gegensatz zu den später veröffentlichten Geschäftszahlen stand. Mit einem Umsatz von rund vier Millionen Dollar und einem Verlust von über 58 Millionen Dollar im letzten Jahr, verliert das Projekt nicht nur finanziell an Boden, sondern laut CNN auch an Nutzern. Trotzdem wird TMTG mit 6,5 Milliarden Dollar bewertet. Diese Zahlen offenbaren eine offensichtliche Diskrepanz zwischen Marktwert und wirtschaftlicher Realität.
Trump: Ein Phänomen an der Börse
Trump, der Meister der Selbstinszenierung, scheint sich den üblichen Bewertungsmaßstäben zu entziehen. Seine Anhänger an der Börse setzen auf ihn als Person, unabhängig von den fundamentalen Daten seiner Unternehmungen. Die Hoffnung auf eine Rückkehr ins Weiße Haus im November 2024 lässt Anleger offenbar über die Vergangenheit hinwegsehen, in der einige von Trumps Projekten spektakulär gescheitert sind.
Die aktuelle Bewertung von Truth Social steht im krassen Gegensatz zu den etablierten Größen der Branche. Während Meta, die Muttergesellschaft von Facebook, mit dem 9,3-fachen ihres Umsatzes bewertet wird, handelt Truth Social mit dem 1500-fachen. Eine solche Diskrepanz legt nahe, dass der Aktienkurs weniger von wirtschaftlichen Faktoren als vielmehr von politischen und emotionalen Erwartungen getrieben wird.
Politische Dimension und wirtschaftliche Risiken
Die politische Dimension dieses Phänomens kann nicht ignoriert werden. Eine zweite Amtszeit Trumps könnte für sein Medienunternehmen sehr lukrativ sein, da Truth Social dann zum zentralen Kommunikationsmittel des US-Präsidenten avancieren könnte. Unternehmen würden dort Werbung schalten, um sich die Gunst des Präsidenten zu sichern. Doch diese Wette auf die Zukunft birgt auch Risiken, wie die Vergangenheit zeigt.
Die Geschichte Trumps im Geschäftsleben ist durchzogen von Pleiten und juristischen Auseinandersetzungen. Die Börse scheint diese Aspekte jedoch auszublenden und fokussiert sich stattdessen auf die Möglichkeit eines politischen Comebacks. Diese selektive Wahrnehmung ist ein Beispiel dafür, wie sehr Emotionen und politische Loyalität die Entscheidungen der Anleger beeinflussen können.
Ein Spiel der Massenpsychologie?
Die Situation rund um TMTG und Truth Social könnte auch ein Spiegelbild der aktuellen Börsenpsychologie sein. Matt Levine von Bloomberg deutet das Phänomen als eine Mischung aus Spaß und Massenpsychologie. Investoren identifizieren sich mit ihren Investments und sehen diese teilweise als Ausdruck ihrer politischen Überzeugungen.
Ob Truth Social jemals profitabel sein wird, ist für viele seiner Aktionäre vielleicht zweitrangig. Sie kaufen die Aktien, um ihre Unterstützung für Trump zu zeigen. In einer Zeit, in der traditionelle Werte und wirtschaftliche Vernunft von vielen Seiten hinterfragt werden, demonstriert Trump, dass sein Modell der Selbstvermarktung weiterhin funktioniert – zumindest an der Börse.
Die Börse scheint derzeit eine Bühne für politische Sympathien zu sein, anstatt ein Ort nüchterner wirtschaftlicher Überlegungen. Die Bewertung von TMTG und Truth Social bleibt ein Rätsel, das sich nur lösen lässt, wenn man die unkonventionelle Dynamik zwischen Politik, Medien und Finanzmarkt in Betracht zieht.
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