EuGH-Gutachten: Blutfehde als Grund für Flüchtlingsanerkennung
In einem neuen Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird die Möglichkeit erörtert, dass die Verwicklung einer Familie in eine Blutfehde ein Grund für die Anerkennung eines Asylbewerbers als Flüchtling sein könnte. Dies könnte weitreichende Konsequenzen für das europäische Asylrecht haben.
Blutfehde als Verfolgungsgrund
Der EuGH-Generalanwalt Richard de la Tour legte am Donnerstag seine Schlussanträge vor, in denen er argumentierte, dass die Zugehörigkeit zu einer in Blutfehden verwickelten Familie je nach Lage im Herkunftsland als Verfolgungsgrund anerkannt werden könne. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Gesellschaft diese Familien als andersartig betrachte und sie daher diskriminiere oder verfolge.
Der konkrete Fall
Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Mitglieder von in Blutfehden verwickelten Familien als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe angesehen werden können. Anlass war der Asylantrag eines Afghanen in Österreich, der angab, in seiner Heimat von Blutrache bedroht zu sein. Sein Vater und sein Bruder seien bereits von Cousins getötet worden, die auch ihm nach dem Leben trachteten.
Einzelfallbetrachtung entscheidend
De la Tour betonte, dass der Einzelfall betrachtet werden müsse. Das österreichische Gericht hatte Zweifel daran geäußert, dass die Blutfehde in der Heimatregion des Asylbewerbers als Verfolgungsgrund anerkannt werden könne, da sie dort traditionell zur Beilegung von Streitigkeiten genutzt werde. Der Generalanwalt widersprach jedoch und verwies darauf, dass das sogenannte Recht auf Rache von Generation zu Generation übertragen werden könne.
Soziale Isolation und Verfolgung
Blutfehden könnten dazu führen, dass betroffene Familien sozial isoliert würden. In extremen Fällen würden Jungen aus der Schule genommen und Familien hätten kein Einkommen mehr, weil Hilfe als Beleidigung der verfeindeten Familie angesehen werde. Vor allem Männer könnten gezwungen sein, sich zu verstecken, um der Rache zu entgehen oder weil sie sich weigerten, selbst Rache auszuüben.
Ausblick auf das Urteil
Ein Termin für das Urteil am EuGH wurde noch nicht bekannt gegeben. Nach dem Urteil des EuGH wird das österreichische Gericht entscheiden, ist dabei aber an die Rechtsauffassung des EuGH gebunden. Dieses Gutachten könnte die Tür für viele Asylbewerber öffnen, die aufgrund von Blutfehden in ihren Heimatländern verfolgt werden.
Es bleibt abzuwarten, wie die endgültige Entscheidung des EuGH ausfallen wird und welche Auswirkungen dies auf die europäische Asylpolitik haben wird. Klar ist jedoch, dass die Anerkennung von Blutfehden als Verfolgungsgrund ein Novum im internationalen Flüchtlingsrecht darstellen könnte.
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