Die große Täuschung: Wie Armut Deutschlands Mittelschicht bedroht
Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland öffnet sich immer weiter. Während die Zahl der Millionäre stetig wächst, nimmt die Armut in beängstigendem Tempo zu. Diese Entwicklung bedroht zunehmend auch die Mittelschicht, wie eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Die Studienleiter Dorothee Spannagel und Jan Brülle haben hierfür umfassende Datenanalysen durchgeführt, deren Ergebnisse alarmierend sind.
Steigende Armut trotz wachsender Millionärszahlen
Die Untersuchung basiert auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und der Lebenslagenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung. Die Ergebnisse sind erschreckend: Seit 2010 ist die Einkommensungleichheit in Deutschland deutlich gestiegen. Die Quote der Menschen, die in Armut leben, hat erheblich zugenommen und liegt auf einem Höchststand. Im Jahr 2021 lebten 17,8 Prozent der Menschen in Deutschland in Armut, 11,3 Prozent sogar in strenger Armut. Diese Zahlen zeigen eine deutliche Zunahme im Vergleich zu 2010, als die Quoten noch bei 14,2 Prozent beziehungsweise 7,8 Prozent lagen.
Ungleichheit und ihre Konsequenzen
Der Gini-Koeffizient, ein Maß für die Ungleichheit der Einkommensverteilung, zeigt ebenfalls eine besorgniserregende Entwicklung. Lag der Wert 2010 noch bei 0,282, stieg er bis 2021 auf 0,310. Diese Zunahme der Ungleichheit führt zu erheblichen Sorgen in der Bevölkerung. Fast 55 Prozent der Menschen in Armut äußerten im vergangenen Jahr große oder sehr große Sorgen, ihren Lebensstandard nicht halten zu können. Auch in der unteren Mittelschicht sorgen sich 52 Prozent vor einem eigenen wirtschaftlichen Abstieg.
Geringere Teilhabe und Demokratie
Armut hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen. Menschen mit sehr niedrigen Einkommen sind häufiger alleinstehend und haben seltener enge Freunde. Zudem fühlen sie sich politisch weniger beteiligt. Nur 44 Prozent der Armen glauben, politisch auf die eigenen Anliegen aufmerksam machen zu können. In der oberen Mitte der Gesellschaft sind es knapp 52 Prozent. Diese geringere Teilhabe führt zu einem höheren Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und zur Demokratie. Nur knapp 50 Prozent der Armen sind mit der Demokratie zufrieden, in der oberen Mitte sind es knapp 60 Prozent.
Gefährliche Verbindungen
Die Studie zeigt auch gefährliche Verbindungen zwischen Armut, Ungleichheit und Demokratie. Auf lange Sicht führt zunehmende Armut nicht nur zu geringerer politischer Beteiligung, sondern auch zur Stärkung des rechtsextremen Spektrums. Das Ifo-Institut kommt zum Ergebnis, dass ein Anstieg des Anteils von Haushalten unter der Armutsgrenze um einen Prozentpunkt den Stimmenanteil rechtsextremer Parteien um 0,5 Prozentpunkte bei Bundestagswahlen erhöht.
Mögliche Lösungen
Die Studienleiter betonen, dass eine verantwortungsvolle Politik darauf verzichten müsse, verschiedene Gruppen in der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen. Statt die Leistungen für Bürgergeldempfänger weiter zu kürzen, sei es sinnvoller, Niedriglöhne wirksam zu bekämpfen und die Tarifbindung zu stärken. Eine volle, sichere, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sei der Schlüssel für eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe und höhere politische Beteiligung.
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die dringende Notwendigkeit, die wachsende Ungleichheit in Deutschland anzugehen und die Mittelschicht zu stärken, um die gesellschaftliche Stabilität zu bewahren.
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