Chatkontrolle zunächst gescheitert - Ein rechtsstaatlicher Kontrollverlust?
Eigentlich sollte heute in der EU über die Überwachung von Messengerdiensten wie WhatsApp oder Telegram geredet werden. Doch die sogenannte „Chatkontrolle“ ist abgesagt worden – vorerst. Die Vertraulichkeit von Kommunikation genießt in Deutschland den Rang eines Verfassungsprinzips. Und auch wenn Artikel 10 GG in heutigen Ohren klingen mag, als hätten sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes mit der Beschränkung des staatlichen Zugriffs auf die Kommunikation an Postkutschenfahrer und Briefkastenomas gewandt, so hat die Formulierung im Kern nichts an Aktualität verloren: Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich, heißt es in Absatz 1 des zehnten Grundgesetzartikels.
Rechtsstaatliche Prinzipien unter Druck
Nun werden Briefe nur noch selten verschickt, und das Fräulein vom Amt hat ihre Vermittlungstätigkeit wohl auch längst eingestellt. Unzählige Rechtsgelehrte und Professoren haben sich daher in den zurückliegenden Jahrzehnten Gedanken dazu gemacht, was das Post- und Fernmeldegeheimnis im Zeitalter von E-Mail, Smartphone und Social Media bedeuten könnte. Gilt etwa eine auf einem Mailserver hinterlegte E-Mail noch als laufende Kommunikation, die unter das konventionelle Fernmeldegeheimnis fällt, oder ist die Kommunikation schon bei der Zwischenspeicherung durch den Serveranbieter abgeschlossen?
Begehrlichkeiten der Politik
Fragen wie diese haben in der Vergangenheit nicht nur das Bundesverfassungsgericht beschäftigt, sie haben auch in der Politik immer wieder zu neuen Irritationen und Grübeleien – besonders aber zu neuen Begehrlichkeiten geführt. Es scheint, als ob die Politik zunehmend versucht, die Kontrolle über private Kommunikationsmittel zu erlangen, was einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Bürger darstellt.
China als Vorbild?
Öffentlich gern als autoritär geschmäht wird China aber zugleich, kaum verhohlen, um seine Zugriffsmöglichkeiten auf die eigene Bevölkerung beneidet. Dies hat mehr gemeinsam als die Verfechter der liberal-demokratischen Idee eingestehen möchten. Niemand sollte sich in dieser Hinsicht etwas vormachen. Demokratie hin oder her; dieses Modell wird kurz über lang auch im Universum des "Wertewestens" Einzug halten, wenn nicht bereits, unterhalb der Schwelle von Rechtsstaatlichkeit und Gesetzgebung, praktiziert.
Datenernte und Datenverwertung
Datenernte ist noch nicht gleich Datenverwertung. Mit der entsprechenden Beugung bestehender Rechtsnormen lässt sich sicherlich auch an dieser Stelle einiges bewerkstelligen. Es sollte nie in Vergessenheit geraten, dass mit der Schaffung von Straftatbeständen die Legislative jedwede Option zur Kontrolle in ihren Händen hält. Ob das Grundgesetz, frei interpretiert, dem Stand halten kann?
Fazit: Ein gefährlicher Weg
Die Absage der Chatkontrolle mag auf den ersten Blick wie ein Sieg für die Bürgerrechte wirken. Doch die Begehrlichkeiten der Politik sind damit nicht verschwunden. Es ist ein gefährlicher Weg, den die EU hier beschreitet. Der Schutz der Privatsphäre und der Kommunikationsfreiheit muss oberste Priorität haben, um einen rechtsstaatlichen Kontrollverlust zu verhindern.
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